IT-Offshoring ... und was macht Dein Betriebsrat?
Offshoring-Aktivitäten sind nach wie vor in vielen IT-Unternehmen festzustellen. Dabei müssen sich die Betriebsräte zunächst darüber verständigen, wie sie mit den Offshoring-Aktivitäten umgehen wollen: Gilt es IT-Offshoring mit allen Mitteln zu verhindern oder wollen sie IT-Offshoring begleiten?
Gleiches gilt für Outsourcing und Reorganisation/Neuausrichtung innerhalb eines Konzerns bzw. einer Unternehmens-Group wenn z. B. Mitbewerber aufgekauft werden.
Für das weitere Vorgehen sind Information das A und O:
-
Welches Ausmaß haben die geplanten Offshoring-Aktivitäten?
-
Steht hinter Offshoring eine neue Unternehmensstrategie?
-
Wird (auch) konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung (ANÜ) geplant?
-
Werden möglicherweise MitarbeiterInnen im Unternehmen (schon vorab) für das neue Unternehmen rekrutiert ("schleichende Pesonalumschichtung")?
-
In welcher Zeitspanne sind sie geplant?
-
Welche Tätigkeiten sollen verlagert werden?
-
Wie viele MitarbeiterInnen sind betroffen?
-
usw.
Hierzu ist ein stetes Bohren der Betriebsräte auf der Grundlage des § 111 BetrVG notwendig:
-
Besteht Einigkeit darüber, dass die Planung für Offshoring eine betriebsändernde Maßnahme darstellt?
-
Findet die umfassende Unterrichtung nach Abschluss der Planung, aber vor der Entscheidung statt?
-
Welche wirtschaftlichen Notwendigkeiten stehen hinter dieser Planung?
Siehe dazu auch Arbeitgeberstrategien: z. B. §111 BetrVG
Alle diese Informationen können auch über den Wirtschaftsausschuss eingeholt werden. Erforderlichenfalls ist gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen, dass der Betriebsrat nach § 80 Abs. 3 BetrVG bzw. § 111 BetrVG hier einen Sachverständigen bestellt.
Ebenfalls sollte die Kostenrechnung für die Offshoring-Aktivität hinterfragt werden. Im allgemeinen werden in den Planungen für Offshoring nicht alle Kosten einbezogen, die Tendenz geht hier in Richtung des Schönrechnens.
-
Welche Kosten für zusätzliche Hard- und Software, Telekommunikation und Wartung entstehen?
-
Welche Kostenentstehen bis zum Vertragsabschluss?
-
Was kostet die Steuerung und Überwachung des Verlagerungsprozesses?
Ist hier zusätzliches Personal notwendig bzw. werden MitarbeiterInnen dafür von anderen Aufgaben abgezogen?
-
Was kosten die Schulungen für das Personal am Ort der Offshoring-Maßnahme?
-
Sind die immateriellen Kosten für interkulturelle Probleme wie unterschiedliche Arbeitsstile etc. im Blickfeld der Planung?
-
Welche Kosten entstehen durch den Personalabbau im Inland wie Abfindungen, Verhandlungen zu Interessenausgleich/Sozialplan, Arbeitsrechtsprozesse etc.?
Nur wenn alle diese Kosten in die Kalkulation einbezogen werden, kann wirklich von einem Vergleich der Kosten gesprochen werden. Es langt einfach nicht zu sagen: “Ungarn oder Indien oder Irgendwo ist einfach billiger”.
Durch den mit der Novelle des Betriebsverfassungsgesetzes neu eingeführten § 92a BetrVG können Betriebsräte beschäftigungssichernde Maßnahmen dem Arbeitgeber vorschlagen und mit ihm beraten. Zum Beispiel nach der Devise: Wenn schon Offshoring, dann aber Qualifizierung für die Belegschaft im Inland! Im Rahmen eines solchen Projekts sollte geklärt sein:
-
Werden durch die Offshoring-Aktivitäten bestimmte Skills überflüssig? Wohin können diese MitarbeiterInnen entwickelt werden?
-
Werden durch die Offshoring-Aktivitäten neue Skills notwendig (z.B. Prozesssteuerung)? Welche Qualifizierungsmaßnahmen sind dafür notwendig?
Offshoring bedeutet einen Transfer von Daten rund um die ganze Welt - darunter können auch personenbezogene Daten sein, z.B. in Skill-Datenbanken. Nach deutschen Gesetzen zum Datenschutz dürfen solche Daten nicht ohne Zustimmung des Betriebsrats im Ausland gespeichert bzw. verarbeitet werden; damit ist der Betriebsrat zur Überwachung dieser Gesetze nach § 80 BetrVG verpflichtet.
Weitere Ansatzpunkte sind je nach Verhandlungskultur und -situation unterschiedlich anzugehen:
-
Im Rahmen der wirtschaftlichen Mitbestimmung können Betriebsräte das Last-Call-Prinzip für Verlagerungen von Aktivitäten einfordern: Vor einer Verlagerung zum Offshore-Partner haben die betroffenen Abteilungen die Möglichkeit einer Kalkulation für die Beibehaltung der Arbeiten im Inland.
-
Lassen sich Tendenzen erkennen, die durch die Einführung neuer Tools die Voraussetzung für Offshore schaffen, so ist hier eventuell von einer Betriebsänderung wie bei der expliziten Verlagerung auszugehen.
-
Neben der Verlagerung kann es zu einem diskriminierenden Kapazitätsaufbau kommen, d.h. nur im Offshore-Land werden Kapazitäten aufgebaut bei gleichzeitigem Stillstand im Inland. Dieser versteckte Personalabbau könnte ebenfalls eine Betriebsänderung darstellen.